VON STRESSFASTEN UND ZUFRIEDENHEIT

VON STRESSFASTEN UND ZUFRIEDENHEIT

In der Zeit zwischen Aschermittwoch und Karfreitag herrscht für die Christen Fastenzeit. Für die Bayern gilt auch noch die Starkbierzeit, aber das soll gar nicht Thema sein. Fasten heißt, auf Gewohntes zu verzichten. Ähnlich wie mit den Neujahrs-Vorsätzen stehen oftmals Alkohol, fettes oder süßes Essen auf der Verzichts-Liste. In den letzten Jahren nahmen Krisennachrichten und allgegenwärtige Newsticker so viel Raum ein, dass ich mir gute Laune verordnet hatte. Dieses Jahr wollte ich schlechte Nachrichten und Katastrophenmeldungen weglächeln, ignorieren oder wenigstens nicht sofort in Weltuntergangsstimmung verfallen. Ein Statusbericht aus Woche vier vom Stressfasten.

 

Es waren einfach zu viele schlechte Nachrichten und vermeintlich katastrophale Ereignisse seit Corona. Von der Pandemie in den europäischen Krieg, zur Energiekrise und Wirtschaftsrezession. Jetzt droht auch noch eine globale Banken- und Finanzkrise. Dazu etliche Vorfälle im privaten und betrieblichen Umfeld und dennoch immer noch nicht der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen sollte, in Sicht – obwohl doch immer neue Drohkulissen am Horizont auftauchen. Zunächst habe ich mich gefragt, warum wir eigentlich keinen Höhepunkt – bzw. Tiefpunkt – in dieser Eskalationsspirale erreichen. Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, große Herausforderungen und Unwägbarkeiten gab es schon seit Menschen Gedenken, aber „Krisen“ heißen diese Zustände erst seit ein paar Jahren. Vor der Finanzkrise 2008 erinnern wir uns vielleicht noch an die Ölkrise der Siebziger Jahre oder die Kuba-Krise 1962. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts beschäftigten uns weniger Krisen als in den letzten zwei Jahren in Deutschland. Sind Krisen vielleicht gar keine Krisen?

Durch die zunehmende Digitalisierung unseres täglichen Lebens entsteht der Eindruck, wir könnten alle Zustandsänderungen nicht nur voraussehen, sondern auch kontrollieren. Aus der Erkenntnis dieses Irrglaubens leiten sich dann Ängste ab. Vermeintlich Beherrschbares entpuppt sich als unkontrollierbar, trotz aller technischen Möglichkeiten. Dank sozialer Medien und Nachrichten-Tickern erfahren wir auch von jeder Entwicklung, oder vermeintlichen Entwicklung, sofort und das meistens in beängstigender Formulierung mit starken, emotionalen Bildern. Reize, die unsere Emotionen erreichen sollen und dadurch unser Stresslevel triggern. Zumindest die Stressoren, denen wir uns hier aussetzen, sind nicht unveränderbar. Warum tun wir uns das an?

Mit der Frage nach persönlichem Glück und Zufriedenheit verdienen Philosophen wie Richard David Precht ihren Lebensunterhalt. Gerade in Europa hat nahezu jeder die Möglichkeit, seine Zukunft weitreichend selbst zu gestalten. Gerade in Skandinavien oder der Schweiz ist ein relativ hohes Maß an Wohlstand auf die Breite der Gesellschaft verteilt. Dort ist die Zufriedenheit größer. Gerechtigkeit und eine ausgewogene Balance von Erwerbs- und Freizeit unterstützen Wohlbefinden. Gerade der Perfektionsanspruch in Deutschland belastet auch der Druck, möglichst keine Fehler zu machen, unsere fehlende Fehlertoleranz, unseren Alltag. Insbesondere wenn wir an jeder Ecke lernen, dass wir in vielen Bereichen höchstens noch Mittelmaß sind. Statt uns auf die Mankos zu konzentrieren, sollten wir die vielen positiven Erlebnisse zelebrieren. Mit Achtsamkeit können wir außerdem unser Umfeld unterstützen.

Beim Selbstversuch Stressfasten besteht die Idee darin, negative Nachrichten weitgehend zu vermeiden, wenn sie nicht wirklich relevant sind. Ein Verhältnis von positiven zu negativen Nachrichten von 3:1 sollte die Mindestquote sein. Die erfreulichen Nachrichten dürfen raumgreifend den Alltag begleiten, während negativer erst nach einer angemessenen Karenzzeit überhaupt verarbeitet werden sollten, soweit das geht. Der Effekt ist erstaunlich: Bereits nach wenigen Tagen entsteht eine gewissen Abgeklärtheit. Existenzangst und Weltuntergangsstimmungen verschwinden. Schlechte Nachrichten wirken auf den zweiten Blick meistens schon nicht mehr so bedrohlich. Mit dieser positiven Energie lässt sich das eigene Schicksal viel nachhaltiger gestalten. Probiert es einfach mal aus.

 

Dein Ensider:Team

(Autor: Markus Vogelbacher)
(Bild: IFP Entertainment GmbH)

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